© Lisa Widerek 2025 · Mein Kopf ist kein stiller Raum – er ist ein Ozean aus Gedanken. Und manchmal ist genau das mein größtes Geschenk.

Ein Raum voller Gedankenströme: Leben mit einem neurodivergenten Kopf
Es gibt Tage, da ist mein Kopf wie ein Raum voller Fernseher.
Jeder zeigt ein anderes Programm:
Nachrichten, Dokus, schrille Werbespots, alte Kindheitserinnerungen, Dialoge, die noch gar nicht passiert sind.
Und wenn es mir gut geht, dann kann ich hin und her schalten, mir eine Tasse Tee machen, einen Platz auf der Couch suchen – und jedes Programm einzeln anschauen.
Aber wenn es mir schlecht geht?
Dann geht die Fernbedienung verloren.
Dann läuft alles gleichzeitig.
Dann ist da nur noch:
Lautstärke. Überforderung. Alarm.
Das ARAS-System – oder: Warum es nicht „nur Kopfsache“ ist
Was ich lange nicht wusste:
Dieses Gedankenkarussell hat nicht nur mit ADHS oder Autismus zu tun, sondern auch mit einem ganz bestimmten Bereich im Hirnstamm – dem sogenannten ARAS-System (Aufsteigendes Retikuläres Aktivitätssystem).
Dieses System regelt, vereinfacht gesagt, wie wach und aufmerksam wir sind.
Bei vielen neurodivergenten Menschen funktioniert das anders:
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Es ist ständig auf Empfang.
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Es scannt permanent die Umgebung.
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Es bewertet jede Info auf Relevanz.
Besonders bei Stress, emotionalem Druck oder Unklarheit dreht das System hoch – und das Gedankenchaos nimmt Fahrt auf.
Das erklärt, warum ich Gespräche immer wieder durchdenke.
Vorher.
Nachher.
Warum ich jedes mögliche Szenario durchspiele.
Und warum ich nicht einfach „abschalten“ kann – selbst wenn ich es gerne würde.
Ich dachte, ich sei einfach nur zu empfindlich
Lange habe ich geglaubt:
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Ich sei einfach zu sensibel.
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Zu anstrengend.
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Zu kompliziert.
Ich dachte, ich übertreibe.
Ich müsste „weniger denken“.
Ich müsste einfach entspannter sein.
Aber das bin ich nicht.
Ich bin jemand, der 1.000 Gedanken gleichzeitig haben kann –
und 998 davon drehen sich um Menschen, um zwischenmenschliche Nuancen,
um Details, die anderen gar nicht auffallen.
Und das ist keine Schwäche.
Es ist eine andere Art zu denken.
Eine, die verdammt anstrengend sein kann – aber auch wunderschön.
Und dann begegnet man manchmal Menschen, die genauso denken
Ich erinnere mich an diese besonderen Begegnungen.
An Menschen, die mitdenken – nicht nur zuhören.
Die mir folgen können, auch wenn ich springe.
Die Dinge aussprechen, bevor ich sie erklären muss.
Die gleichzeitig dieselben Begriffe googeln wie ich – ohne Absprache.
Solche Menschen gibt es nicht viele.
Aber es gibt sie.
Menschen, deren Gehirn erschreckend ähnlich funktioniert.
Menschen, bei denen ich mich nicht bremsen muss.
Bei denen ich nicht falsch bin –
nicht zu schnell, nicht zu viel.
Vielleicht bist du wie ich. Oder wie sie. Oder wie er.
Vielleicht denkst du auch zu viel.
Vielleicht suchst du auch ständig nach Sinn.
Vielleicht spürst du Druck, wo andere nur Alltag sehen.
Vielleicht hältst du dich zurück, weil du glaubst, du bist zu viel.
Oder:
Vielleicht hast du einfach ein anderes Betriebssystem.
Vielleicht gehörst du zu den Menschen, die nicht nur mitdenken, sondern vordenken.
Die tiefer fühlen.
Schneller verknüpfen.
Leiser zweifeln.
Fazit: Wenn Denken Verbindung schafft
Ich habe gelernt, dass meine Art zu denken keine Schwäche ist.
Dass mein Chaos auch Klarheit birgt.
Dass das ARAS-System manchmal einfach Alarm schlägt –
und dass das okay ist.
Und ich weiß:
Wenn ich jemanden treffe, der mit meinem Denken Schritt hält,
dann ist das keine Zufallsbegegnung.
Sondern ein Geschenk.
Denn manche Menschen erkennt man nicht mit dem Verstand –
sondern mit dem Nervensystem.
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