Missverständnisse vs. Realität: Was neurodivergente Menschen wirklich brauchen

© 2025 Lisa Widerek · Warum viele vermeintliche Schwächen in Wahrheit Schutzstrategien sind – und was Missverständnisse anrichten.


Häufige Missverständnisse:

Vorurteil Realität "Er/sie stellt sich nur an." Das Nervensystem ist überlastet. Reize kommen ungefiltert an. "Sie will nur Aufmerksamkeit." Verhalten ist Kommunikation. Dahinter steckt oft ein Stresszustand. "Er ist unkonzentriert/faul." Reizfilterschwäche, Erschöpfung oder PDA-Vermeidung stecken dahinter. "Sie manipuliert, wenn sie wütend wird." Oft steckt Überforderung oder Kontrollverlust hinter impulsivem Verhalten. "Er hat halt kein Interesse an anderen." Viele Autist:innen fühlen zu viel, nicht zu wenig – und schützen sich. "Sie ist zu empfindlich." Sensorische Verarbeitung ist neurologisch anders verschaltet.


Warum diese Missverständnisse problematisch sind

  • Sie führen zu falscher Erziehung oder Therapie

  • Sie verletzen das Selbstbild neurodivergenter Menschen

  • Sie verhindern hilfreiche Unterstützung

Wer Verhalten falsch liest, reagiert falsch. Und das verstärkt meist genau das Verhalten, das man "abstellen" will.


Was ist die Realität?

  • Viele neurodivergente Menschen haben hohe Selbstkontrolle – aber nur bis zum Zusammenbruch

  • Viele wirken ruhig, obwohl sie innerlich unter Strom stehen

  • Vermeidung ist oft Schutz, nicht Trotz

  • "Unangemessenes Verhalten" ist oft eine Notreaktion des Nervensystems


Was hilft stattdessen?

  • Validierung statt Bewertung: "Ich sehe, dass das gerade viel für dich ist."

  • Struktur statt Kontrolle: feste Abläufe statt spontane Ansagen

  • Fragen statt Deuten: "Was brauchst du gerade?" statt "Jetzt reiss dich zusammen"

  • Reizschutz statt Disziplinierung: Pause, Rückzug, Regulation


Fazit: Verstehen beginnt mit Zuhören

Was nach Trotz aussieht, ist oft Angst.
Was nach Unfähigkeit aussieht, ist oft Überforderung.
Was nach Desinteresse wirkt, ist manchmal die letzte Kraft, "nicht durchzudrehen".

Neurodivergenz braucht keine Erziehung zur Norm. Sie braucht Resonanz, Schutz und echtes Interesse.

Herzlich,
FliWi

Hinweis: Diese Seite ersetzt keine fachliche Diagnose, sondern soll Orientierung bieten und das Verständnis fördern – für Betroffene, Angehörige und alle, die lernen möchten, wie vielfältig Neurodivergenz ist.