Reizüberflutung und Sensorik: Warum manche Reize mehr sind als nur "nervig"

© 2025 Lisa Widerek · Wenn jedes Licht zu grell, jedes Geräusch zu viel und jeder Stoff ein Widerstand ist.


Was ist Reizüberflutung?

Reizüberflutung bedeutet, dass das Gehirn nicht mehr in der Lage ist, eintreffende Sinneseindrücke sinnvoll zu filtern oder zu verarbeiten. Alles kommt gleichzeitig an, alles ist gleich laut, gleich wichtig, gleich überfordernd.


Ursachen im Nervensystem

Besonders bei neurodivergenten Menschen (z. B. mit Autismus, ADHS, PDA oder Hochsensibilität) ist die Reizverarbeitung anders verschaltet. Die Ursachen:

  • Das ARAS-System filtert Reize nicht effizient genug (siehe separaten Artikel)

  • Das Gehirn reagiert intensiver auf sensorische Informationen

  • Verarbeitungskapazität ist schneller erreicht


Welche Sinne sind betroffen?

  • Geräusche: Ticken von Uhren, Atmen anderer Menschen, Summen von Elektronik

  • Licht: grelle Neonröhren, flackerndes Licht, Sonne auf Metall

  • Berührung: Kleidungsetiketten, nasse Socken, zu enge Ärmel

  • Gerüche: Parfüm, Essen, Reinigungsmittel

  • Geschmack: intensives Aroma, unerwartete Texturen


Wie fühlt sich Reizüberflutung an?

  • Wie zu viel Lärm in einem kleinen Raum

  • Wie ein Radio, das auf allen Frequenzen gleichzeitig sendet

  • Wie eine Schale, die überläuft

Symptome:

  • Reizbarkeit, Aggression

  • Rückzug, Erschöpfung

  • Blackout, Trance, Weinen


Was hilft?

  • Reizarme Umgebungen

  • Kopfhörer, Sonnenbrille, angenehme Kleidung

  • Routinen, feste Abläufe

  • "Safe Spaces" – ein vertrauter Ort, an dem nichts verlangt wird

  • Überreizung erkennen lernen (Körpersignale, Trigger)


Und im Alltag?

Reizvermeidung ist Selbstschutz, kein Komfortwunsch.

  • Menschen, die sich oft "anstellen", kompensieren in Wahrheit pausenlos

  • "Ich kann das nicht" bedeutet: Mein Nervensystem schafft das gerade nicht

  • "Du bist so empfindlich" heißt: Du spürst mehr, nicht weniger


Sensorische Besonderheiten sind kein Makel

Viele neurodivergente Menschen haben nicht nur Reizempfindlichkeit, sondern auch sensorische Stärken:

  • hohe Geruchsunterscheidung

  • detailreiche akustische Wahrnehmung

  • taktile Sensibilität für Texturen

  • sensorisches Gedächtnis


Fazit: Sensorik ist Sprache

Das, was andere nicht mal bemerken, kann für uns die ganze Welt verändern. Reize sind nicht neutral. Sie sind Botenstoffe, Warnsystem, Erinnerung – oder pure Überlastung.

Sensorik ist keine Randnotiz neurodivergenter Leben. Sie ist oft das Zentrum.

Herzlich,
FliWi

Hinweis: Diese Seite ersetzt keine fachliche Diagnose, sondern soll Orientierung bieten und das Verständnis fördern – für Betroffene, Angehörige und alle, die lernen möchten, wie vielfältig Neurodivergenz ist.