© Lisa Widerek 2025 · Ein persönlicher Blick auf Entwicklung, Reifung und die Lücke zwischen Kindheit und Erwachsenenrolle, von mir auch genannt: Peter Pan Syndrom

Der Satz, der trifft
„Du fühlst dich heute wie ein Kind, weil du dich als Kind schon wie ein Erwachsener fühlen musstest – und nie wusstest, wie sich Kindsein anfühlt.“
Ein Satz aus einer Therapiesitzung. Und ein Satz, der alles erklärt. Zumindest für mich.
Ich erinnere mich an den Moment, als ich ihn zum ersten Mal hörte – er war wie ein Schlüssel. Einer, der plötzlich eine Tür aufschloss, hinter der ich mich mein Leben lang gefragt hatte, warum ich mich so oft falsch, überfordert, nicht dazugehörig gefühlt habe. Warum ich auf Kritik überreagierte. Warum ich weinen musste, wenn jemand laut wurde – nicht, weil ich schwach bin, sondern weil mein inneres Kind nie aufgehört hat, um Sicherheit zu kämpfen.
Manche Gedanken treffen nicht einfach nur – sie reißen etwas auf. Etwas, das lange weggeschlossen war. Dieser eine Satz hat in mir etwas zum Klingen gebracht, das ich viele Jahre nicht benennen konnte. Denn ich war ein Kind, das zu früh gelernt hat, wie man funktioniert. Und ein Erwachsener, der nie richtig gelernt hat, wie man fühlt.
Ich habe früh begriffen, dass bestimmte Gefühle nicht willkommen sind. Dass Anpassung sicherer ist als Ehrlichkeit. Dass Harmonie wichtiger ist als Wahrhaftigkeit. Ich war das Kind, das den Erwachsenen helfen sollte, nicht andersherum.
Und so habe ich verlernt, Kind zu sein, bevor ich es überhaupt verstanden hatte. Und jetzt – Jahrzehnte später – stehe ich hier, mit Steuerbescheid in der einen Hand und Nervenzusammenbruch in der anderen, und frage mich: Wie geht das eigentlich – Erwachsensein? Wo lernt man das, wenn man nie erfahren durfte, was es heißt, Kind zu sein?
Diese Frage ist mehr als ein Gedankenspiel. Sie ist eine Einladung. Eine, bei der wir gemeinsam hinschauen dürfen. Ohne Schuld. Aber mit einer großen Portion Mitgefühl – für das Kind, das wir waren. Und für den Erwachsenen, der sich heute durch ein Leben navigiert, das nie richtig erklärt wurde.
Kind sein – was es bedeutet hätte
Kind sein – das hätte bedeuten sollen:
Vertrauen. Schutz. Nachsicht. Neugier.
Raum für Entwicklung statt Funktion.
Sich fallenlassen dürfen ohne Konsequenzen.
Doch viele von uns – und ich ganz besonders – haben früh erlebt, dass Kindsein ein Luxus ist, den man sich verdienen muss. Dass Liebe an Bedingungen geknüpft ist. Dass Anpassung Sicherheit bringt – aber auf Kosten des eigenen Selbst.
Ich war das Kind, das wusste, wann es schweigen muss. Das die Stimmung im Raum scannte, bevor es sprach. Das Fehler vermeiden wollte, um nicht zum Problem zu werden. Das früh Verantwortung übernommen hat – für sich selbst, für andere, für das, was eigentlich nicht in kleine Hände gehört. Ich war das Kind, das verstand, bevor es verstehen durfte. Und das dachte, es sei besonders stark – dabei war es einfach nur allein.
Und so wurde ich groß, ohne je klein gewesen zu sein.
Kompensationsmechanismen – Wenn Stärke zur Rüstung wird
Aber was macht ein Kind, das nie einfach Kind sein durfte? Es beginnt zu kompensieren.
Es entwickelt Überlebensstrategien, die klug aussehen – und gleichzeitig das eigentliche Bedürfnis unsichtbar machen.
Ich war nicht stark, weil ich stark war.
Ich war stark, weil ich nicht sicher sein durfte.
Statt Geborgenheit entwickelte ich Kontrolle.
Statt Fehlerfreundlichkeit: Perfektionismus.
Statt Neugier: Anpassung.
Statt Wut: Intellekt.
Ich wurde klug – weil Klugheit mir half, die Welt zu entschlüsseln, bevor sie gefährlich wurde. Ich wurde hilfreich – weil Helfen bedeutete, gebraucht zu werden. Ich wurde kontrolliert – weil Kontrolle das einzige war, was mich vor dem Chaos schützte. Ich wurde leistungsfähig – weil man mich dann lobte, statt zu fragen, wie es mir geht.
All das sind keine Persönlichkeitsmerkmale. Es sind Rüstungen.
Und lange Zeit habe ich sie selbst für Stärke gehalten.
Aber heute weiß ich: Das, was andere für Disziplin hielten, war in Wahrheit Angst.
Der scheinbare Ehrgeiz war ein Versuch, gesehen zu werden.
Die gute Organisation – ein Schutz vor emotionalem Kontrollverlust.
Die Klarheit in Diskussionen – ein Reflex, um nicht wieder sprachlos zu sein, wenn es brennt.
Diese Muster haben mich über Jahre getragen. Sie waren nützlich. Überlebenswichtig.
Aber sie waren nie echt.
Nicht ganz.
Sanft enttarnen – und neu bewerten
Es ist kein Versagen, wenn man diese Mechanismen erkennt.
Es ist ein Akt der Selbstachtung. Und manchmal sogar der erste Schritt zurück zum eigentlichen Ich.
Ich habe begonnen, meine Strategien nicht mehr zu verurteilen – sondern zu verstehen.
Warum ich immer alles im Griff haben wollte. Warum ich mich schuldig fühlte, wenn ich eine Pause brauchte. Warum ich so oft dachte, „Ich darf jetzt nicht schwach sein.“
Denn hinter jeder dieser Reaktionen steht kein Charakterfehler – sondern ein altes System, das einfach nur überleben wollte.
Heute versuche ich, das Kind in mir wieder zu Wort kommen zu lassen.
Nicht laut. Nicht plötzlich. Sondern leise. Stück für Stück.
Ich frage es: Was hättest du damals gebraucht?
Und manchmal kommt die Antwort ganz einfach: „Ich hätte jemanden gebraucht, der mich hält, wenn ich nicht stark bin.“
Neurodivergenz & Reife – Warum Entwicklung anders aussehen kann
Wenn wir über Kindheit sprechen, schwingt oft ein Maßstab mit: Was ist altersangemessen?
Doch genau dieser Maßstab kann für neurodivergente Menschen zum Problem werden – nicht, weil wir „zurück“ sind, sondern weil unser Entwicklungspfad einfach anders verläuft.
Kinder (und Erwachsene) mit PDA, ADHS oder Autismus zeigen häufig eine sogenannte asynchrone Entwicklung: Sie sind in manchen Bereichen weit voraus – und in anderen scheinbar „zurückgeblieben“. Das ist keine Störung. Es ist eine Schutzstrategie des Nervensystems.
Besonders häufig begegnet mir diese Diskrepanz in der emotionalen und kognitiven Reife.
Ein Kind kann kognitiv bereits auf dem Stand eines Zehnjährigen sein – also kluge Fragen stellen, komplexe Zusammenhänge verstehen, mitdenken, reflektieren.
Doch wenn dieses Kind tatsächlich erst sechs Jahre alt ist, hat es auch nur sechs Jahre an emotionaler Lebenserfahrung gesammelt.
Und das bedeutet: Es kann zwar denken wie ein Großer – aber fühlen, regulieren, reagieren tut es wie ein Kind.
In emotionalen Ausnahmesituationen hilft das kluge Denken dann nicht weiter – weil die Erfahrung fehlt, mit den eigenen Gefühlen umzugehen.
Das Ergebnis: Wir sehen ein „reifes“ Kind – und erwarten unbewusst auch reifes Verhalten.
Doch genau das führt zu Überforderung, zu Missverständnissen, zu unfairen Ansprüchen.
Diese kognitive Überreife trifft auf emotionale Rohheit – und genau dieser Widerspruch macht das Leben für viele neurodivergente Kinder (und später Erwachsene) so anstrengend. Denn sie spüren, dass sie mehr können – aber erleben immer wieder, dass sie nicht so funktionieren, wie andere es erwarten.
Was sie brauchen, ist kein strengerer Maßstab – sondern mehr Einfühlungsvermögen für diese besondere Art des Wachsens. Und die Erlaubnis, nicht alles gleichzeitig können zu müssen.
Der Umkehrschluss: Kindsein nachholen im Erwachsenenleben
Manche inneren Prozesse wirken im Erwachsenenalter plötzlich „kindlich“ – aber sie sind kein Rückfall. Sie sind ein Nachholen. Ein Einfordern dessen, was einst fehlte.
Was von außen wie Unreife aussieht, ist oft der Versuch, eine Lücke in der Entwicklung zu schließen, die nie hätte entstehen dürfen.
Ich merke das an mir selbst.
In meinem Bedürfnis nach Leichtigkeit. Nach Spielen. Nach Freiheit. Nach Momenten, in denen nichts „muss“.
Ich will albern sein dürfen. Plötzlich barfuß durchs Gras laufen. Eine Wasserschlacht machen. Um Mitternacht Eis essen.
Nicht, weil ich verantwortungslos bin – sondern weil mein inneres Kind das alles nicht hatte.
Manchmal beneide ich Kinder um ihre Unverbindlichkeit. Ihre Fähigkeit, in Sekunden zwischen Weinen und Lachen zu wechseln. Ihre Offenheit für Unsinn, für Fantasie, für alles, was nicht logisch ist. Ich schaue ihnen zu und denke: So hätte es auch für mich sein sollen.
Diese Sehnsucht ist nicht kindisch. Sie ist gesund.
Sie ist der Ruf des inneren Kindes, das endlich leben will.
Ohne Angst. Ohne Pflicht. Ohne Rolle.
Das nachholen will, was ihm genommen oder nie gegeben wurde: Sicherheit, Unbeschwertheit, Vertrauen darauf, einfach da sein zu dürfen.
Und ja, manchmal wirkt das widersprüchlich.
Denn nach außen bin ich „erwachsen“: Ich kümmere mich. Ich organisiere. Ich trage Verantwortung.
Aber in mir gibt es diese Stimme, die flüstert: Ich war nie klein. Wann darf ich es endlich sein?
Es ist der Versuch, die Balance zu finden – zwischen äußerer Reife und innerer Nachholbedürftigkeit. Zwischen Alltag und Spiel. Zwischen Verantwortung und Selbstvergessenheit.
Ein Tanz zwischen den Welten, der manchmal wackelig ist – aber vielleicht genau deshalb heilend.
Denn wenn wir nicht gelernt haben, Kind zu sein, dürfen wir das später nachholen. Nicht auf Kosten der Gegenwart – sondern als Versöhnung mit der Vergangenheit.
Und vielleicht ist genau das der mutigste Schritt ins Erwachsensein:
Dem Kind in sich Raum geben. Ohne Scham. Ohne Erklärung. Nur mit Liebe.
Therapie bedeutet manchmal: nachreifen
In meiner Therapie ging es nicht darum, ein besserer Erwachsener zu werden.
Nicht darum, „reifer“, „stabiler“, „vernünftiger“ zu sein.
Sondern erstmal: ein sicherer.
Sicher in mir selbst. Sicher in meinem Erleben. Sicher mit meinen inneren Anteilen, die so lange geschwiegen haben, weil niemand sie hören wollte.
Ich musste lernen, dass es in mir nicht nur eine erwachsene Version gibt, die alles im Griff hat. Sondern auch jüngere Ichs – verletzte, einsame, überforderte Anteile, die nie gesehen wurden.
Und dass diese Anteile nicht das Problem sind, sondern der Schlüssel.
Nachreifen bedeutet nicht, das Vergangene ungeschehen zu machen.
Es bedeutet, ihm Raum zu geben. Es liebevoll anzusehen, zu würdigen, zu betrauern – aber nicht mehr darin zu leben.
Es bedeutet, mich selbst in Momenten zu begleiten, in denen ich früher allein war.
Zu fragen: Was hätte ich damals gebraucht? – und mir genau das heute zu geben. Schutz. Verständnis. Geduld. Körperliche Nähe. Stille. Oder einfach ein: „Ich bin da.“
Ich habe lange gedacht, ich sei unreif, weil ich emotional überreagiere.
Heute weiß ich: Ich reagiere kindlich, weil ich dort verletzt wurde.
Nicht, weil ich mich verweigere – sondern weil ich genau da nachholen muss, was nie wachsen durfte.
Und das ist kein Rückschritt. Es ist Heilung.
Erwachsensein heißt für mich heute nicht: immer stark sein.
Es heißt: mich selbst halten können, auch in schwachen Momenten.
Es heißt, Verantwortung zu übernehmen – nicht nur im Außen, sondern auch für mein Inneres.
Grenzen setzen, wo früher Übergriffe waren. Nein sagen, wo ich früher nur geschluckt habe. Weinen, wo ich früher gelächelt habe.
Und mich nicht mehr schämen, wenn ich nicht „funktioniere“.
Ich darf weich sein. Ich darf mich schützen.
Ich darf wachsen – in meinem Tempo. Auch, wenn es später ist als bei anderen.
Denn es ist mein Weg. Und der ist genau richtig so.
Der Kreislauf: Wenn Eltern nie Kind waren – und dann selbst Eltern werden
Es ist einer der tiefsten inneren Widersprüche, den viele von uns kennen:
Wie soll ich eine sichere Kindheit schenken – wenn ich selbst nie eine hatte?
Wer nie wirklich Kind sein durfte, trägt oft zwei Aufgaben gleichzeitig:
Das eigene innere Kind versorgen und für die realen Kinder da sein.
Nachreifen und gleichzeitig vorleben. Halt suchen – und gleichzeitig Halt geben.
Ich erinnere mich an viele Situationen, in denen ich innerlich überfordert war. Nicht, weil meine Kinder „zu viel“ waren – sondern weil sie mich mit einem Schmerz konfrontierten, den ich selbst nie verarbeiten konnte.
Wenn sie sich in meine Arme werfen. Wenn sie „Mama, ich brauch dich“ sagen. Wenn sie wütend toben, weinen, lachen, fordern – und ich spüre: Sie nehmen Raum ein, der mir nie zugestanden wurde.
Und dann bin ich da. Tröste. Halte. Stärke.
Und frage mich später still: Wer hätte mich damals so gehalten?
Es ist schwer, eine Kindheit nachzuholen, während man gleichzeitig versucht, eine neue zu ermöglichen.
Denn oft kommt der Wunsch auf, mitzulaufen. Mitzumachen. Sich selbst zu erleben, wie es hätte sein können – durch das eigene Kind.
Aber gleichzeitig sitzt da diese Verantwortung im Nacken: die Struktur zu halten. Grenzen zu setzen. Sicherheit zu geben.
Wie soll ich meine Kinder halten, wenn ich selbst manchmal falle?
Diese Frage kommt nicht aus Schwäche. Sie kommt aus Tiefe.
Viele neurodivergente Eltern – besonders mit Traumaerfahrung – kennen dieses Doppelleben. Außen stabil, innen fragil.
Und genau deshalb ist Selbstfürsorge so wichtig. Nicht als Egoismus – sondern als Fundament.
Denn nur wenn ich mir Fürsorge gebe, kann ich sie ehrlich und dauerhaft anderen geben.
Nur wenn ich mein inneres Kind sehe, kann ich liebevoll mit den inneren Kindern meiner Kinder umgehen.
Nicht perfekt. Aber echt.
Es ist ein Kreislauf.
Und irgendwann – ganz leise – beginnt er sich zu drehen.
Wenn wir uns selbst die Erlaubnis geben, zu fühlen, zu spielen, zu versagen, zu wachsen…
… dann verändern wir nicht nur unsere eigene Geschichte. Sondern auch die unserer Kinder.
Beziehungsfähigkeit & Verletzlichkeit
Manchmal fragen sich Menschen, warum jemand so liebevoll wirkt – und sich dann plötzlich zurückzieht. Warum Nähe entsteht – und dann wieder zerfällt. Warum man sich nach Verbindung sehnt, aber sie kaum aushält, wenn sie wirklich da ist.
Die Antwort ist oft: verletzte Bindungserfahrung.
Wenn du als Kind gelernt hast, dass Zuneigung an Bedingungen geknüpft ist – oder dass sie irgendwann weh tut –, dann wird Nähe später nie ganz sicher sein.
Selbst dann nicht, wenn der Mensch dir gegenüber nichts falsch macht.
Denn das Misstrauen sitzt nicht im Kopf. Es wohnt im Nervensystem.
Ich kenne das so gut.
Dieses Zögern, wenn jemand mir zu nah kommt – emotional oder körperlich.
Diese Skepsis, wenn jemand sagt: „Ich bin für dich da.“
Weil ein Teil von mir denkt: Wie lange? Was willst du dafür? Wann wird es zu viel?
Und das ist keine bewusste Entscheidung. Es ist ein Schutzreflex. Ein Mechanismus, der über Jahre gewachsen ist – um mich zu schützen vor Enttäuschung, Rückzug, emotionalem Missbrauch.
Und trotzdem… ist da diese tiefe Sehnsucht nach echter Nähe.
Nach einem Menschen, der bleibt. Der sieht, was ich verberge.
Der nicht erschrickt, wenn ich mich zeige.
Der mich nicht für meine Rückzüge verlässt – sondern sanft wartet, bis ich wiederkomme.
Beziehungsfähigkeit bedeutet für mich heute nicht, immer offen und stabil zu sein.
Sondern: verletzlich sein zu dürfen, ohne in Gefahr zu geraten.
Langsam Vertrauen wachsen zu lassen.
Und mich selbst nicht zu verurteilen, wenn ich wieder in alte Muster falle.
Denn echte Nähe braucht Mut.
Aber sie heilt nur, wenn sie auch sanft sein darf.
Was bedeutet „reif“ überhaupt?
„Reif sein“ – das klingt nach Kontrolle, nach Abgeklärtheit, nach einem Menschen, der keine Fragen mehr stellt, sondern Antworten hat.
Die gesellschaftliche Vorstellung von Reife ist oft: unabhängig, leistungsfähig, vernünftig, stark.
Ein reifer Mensch „kommt klar“. Er braucht niemanden. Hat sein Leben im Griff.
Er weint nicht grundlos, explodiert nicht impulsiv, zweifelt nicht laut.
Er funktioniert.
Aber ist das wirklich Reife?
Für mich sieht Reife heute ganz anders aus.
Reif ist, wer sich selbst kennt – und sich trotzdem nicht härter macht, als nötig.
Wer nicht alles allein schafft, sondern weiß, wann Hilfe klug ist.
Wer ehrlich ist über seine Grenzen, statt sie zu überspielen.
Wer verantwortlich mit sich selbst umgeht, auch wenn das bedeutet, Schwäche zu zeigen.
Reife ist für mich keine gerade Linie.
Sie ist zyklisch. Situativ. Individuell.
Ich kann in einem Lebensbereich souverän und reflektiert sein – und in einem anderen total unsicher.
Ich kann rational handeln – und mich trotzdem manchmal wie ein Kind fühlen.
Ich kann stark sein – und weinen, wenn mich etwas trifft.
Reife heißt nicht: nie mehr fallen.
Reife heißt: zu wissen, wie ich wieder aufstehe.
Und mir zu erlauben, manchmal liegen zu bleiben, bis ich bereit bin.
Denn vielleicht ist das die eigentliche Reife:
Nicht, wie viel ich trage.
Sondern, wie liebevoll ich mit mir bin, wenn es zu viel ist.
Und wie ehrlich ich mir selbst begegne – ohne Maske, ohne Rolle, ohne den Druck, jemand sein zu müssen, der ich nicht bin.
Erwachsensein ist kein Ziel – es ist Beziehung
Ich habe aufgehört, mir ein bestimmtes Bild vom „Erwachsensein“ aufzuzwingen.
Dieses Bild, das verlangt, dass man immer funktioniert, immer vernünftig ist, immer stark.
Ich bin nicht hier, um perfekt zu sein. Ich bin hier, um echt zu sein.
Mit meinen Höhen. Mit meinen Tiefen. Mit allem dazwischen.
Ich will nicht die sein, die alles im Griff hat – sondern die, die sich selbst im Blick behält.
Die auch an Tagen voller Tränen sagen kann: Ich bleibe bei mir.
Die nicht vor sich selbst flieht, wenn es schwer wird.
Die weiß: Verletzlichkeit ist kein Makel – sondern ein Zeichen von Verbindung.
Denn das, was ich als Kind gebraucht hätte – Geduld, Schutz, Wärme, ein echtes Zuhause – das gebe ich mir heute selbst.
Manchmal gelingt es besser, manchmal schlechter. Aber ich höre nicht mehr auf damit.
Ich warte nicht mehr darauf, dass jemand kommt und mich „erwachsen macht“.
Ich mache mich nicht mehr fertig, wenn ich mich nicht wie dreißig oder vierzig „benehme“.
Ich gehe meinen Weg. In meinem Tempo. Mit meinem Maß an Klarheit und Mitgefühl.
Erwachsensein ist kein Ziel.
Es ist kein Zustand, den man erreicht.
Es ist eine fortwährende Beziehung – zu mir selbst, zu den Menschen, die ich liebe,
und zu dem kleinen Teil in mir, der nie ganz Kind sein durfte, aber heute endlich sicher ist.
Ich bleibe bei ihm. Und damit auch bei mir.
Herzlich, FliWi
#InneresKind #Nachreifen #Neurodivergenz #Traumafolgen #PDAProfil #Autismus #ADHS #KindheitHeilen #Selbstfürsorge #Therapie #FliWiBlog
Kommentar hinzufügen
Kommentare