© Lisa Widerek 2025 · Manchmal dauert es Jahre, bis das Chaos in dir endlich einen Namen bekommt – und du erkennst, dass du nie falsch warst. Nur unverstanden.

Der Weg zur Diagnose: Warum echte Antworten manchmal so lange brauchen
Es gibt Momente im Leben, da weißt du tief in dir:
Etwas stimmt nicht.
Nicht, weil du defekt bist.
Sondern, weil die Welt für Menschen wie dich anders gebaut ist – aber niemand dir das jemals gesagt hat.
Ich habe diese Momente zu oft erlebt.
Zu intensiv. Zu sensibel. Zu schnell.
Immer irgendwie „anders“ – aber nie „krank“ genug, um wirklich ernst genommen zu werden.
Und genau deshalb hat es so lange gedauert, bis ich endlich eine Antwort hatte, die nicht zerstört, sondern erklärt.
Wenn „anders sein“ nicht reicht
Ich erinnere mich an unzählige Gespräche:
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„Sie haben doch Freunde – das passt nicht zu Autismus.“
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„Bei Ihnen sieht das eher nach Depression aus.“
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„Das ist keine ADHS, Sie sind einfach chaotisch.“
Jeder dieser Sätze war ein kleiner, kaum hörbarer Schlag.
Nicht, weil ich auf ein Etikett aus war.
Sondern, weil ich eine Sprache suchte für mein inneres Erleben – eine Landkarte, auf der ich endlich auftauchen durfte.
Und jedes Mal blieb ich verwirrter zurück:
Zweifelnd. Erschöpft. Wütend auf mich selbst.
Warum eine Diagnose mehr ist als ein Stempel
Viele glauben: Eine Diagnose zu haben, bedeutet, sich ein Schild umzuhängen.
Aber für neurodivergente Menschen wie mich bedeutet es etwas völlig anderes:
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Es ist Erleichterung.
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Es ist das Ende von quälendem Selbstzweifel.
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Es ist eine Einladung zur Selbstannahme.
Eine Diagnose ist nicht das Ende einer Geschichte.
Sie ist der Anfang davon, die eigene Geschichte endlich richtig zu erzählen.
Wenn Fachwissen versagt: Szenen, die bleiben
Ich werde nie vergessen, wie ich bei einer Psychologin saß.
Die Uhr an der Wand tickte so laut, dass ich kaum atmen konnte.
Ihre Stimme: monoton, schleppend, wie Watte im Kopf.
Irgendwann bat ich sie, die Batterien aus der Uhr zu nehmen, damit ich mich konzentrieren konnte.
Sie nahm es mir übel.
Und am Ende bescheinigte sie mir nicht etwa ADHS, sondern schlug vor, ich könnte vielleicht eine Legasthenie oder Dyskalkulie haben.
Dabei hatte ich Mathe im Abitur als Leistungskurs – und meine schriftlichen Prüfungen nahezu fehlerfrei geschrieben.
Meine Wahrheit passte nicht in ihr Raster. Also wurde ich passend gemacht.
Warum Diagnostik bei Erwachsenen so schwer ist
Viele von uns fallen durchs Raster, weil:
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Klassische Diagnostikmodelle auf kleinen Jungen beruhen.
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Frauen mit Autismus und ADHS maskieren – und dadurch unsichtbar werden.
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PDA-Profile nicht offiziell anerkannt sind.
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Therapeuten nicht auf hochbegabte, sensible, komplexe Profile geschult sind.
Masking – das Anpassen an die Norm – wird als echte Persönlichkeit missverstanden.
Und so bleiben viele von uns jahrelang unerkannt, unverstanden, ungeliebt.
Was eine richtige Diagnose bewirken kann
Als ich endlich meine Diagnosen in Händen hielt –
Autismus mit PDA-Profil, ADHS, Hochbegabung –
war das kein Makel.
Es war, als hätte jemand einen alten, verstaubten Projektor angeschaltet – und ich sah endlich mein eigenes Leben auf der Leinwand.
Alles ergab plötzlich Sinn:
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Warum ich ständig erschöpft war.
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Warum ich soziale Situationen als bedrohlich empfand, obwohl ich reden konnte.
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Warum ich in Mustern dachte, während andere scheinbar improvisierten.
Es war, als würde ich mein ganzes Leben zum ersten Mal in meiner Sprache lesen.
Erste Schritte: Dein Weg zur Diagnose – und warum du ihn nicht alleine gehen musst
Wenn ich heute zurückblicke, weiß ich:
Der schwierigste Teil war nicht die Diagnose an sich.
Es war, überhaupt den Mut zu fassen, danach zu suchen.
Damit du nicht ewig suchen musst, wo du überhaupt anfangen sollst, hier dein Fahrplan:
1. Lausche dir selbst.
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Wo genau fühlst du dich anders?
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Welche Situationen sind besonders schwierig?
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Gibt es wiederkehrende Muster?
Notiere sie für dich. Dein Erleben ist real.
2. Informiere dich – aber achtsam.
Seriöse Seiten wie:
bieten gute Startpunkte.
3. Mach Selbsttests.
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ASRS für ADHS (Kurzfragebogen)
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Checklisten für Autismus im Erwachsenenalter
Ergebnisse aufbewahren – sie können Gespräche erleichtern.
4. Such dir Verbündete.
Wenn niemand da ist: Online-Foren oder Selbsthilfegruppen.
5. Bereite dein Arztgespräch gut vor.
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Beobachtungen auflisten.
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Alltag, Beruf, Beziehungen schildern.
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Hartnäckig bleiben – auch wenn es mühsam wird.
Dein Recht auf Ernstgenommenwerden endet nicht an der Praxistür.
Fazit: Deine Wahrheit verdient Raum
Wenn du das Gefühl hast, anders zu sein, dann hör nicht auf, bevor du deine Antwort gefunden hast.
Dein Chaos ist kein Defekt.
Dein Anderssein ist kein Unfall.
Dein Gefühl ist der erste Schritt zu deiner Wahrheit.
Herzlich,
FliWi
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