Kein Zettel, kein Zugang – Wenn Hilfe nur mit Stempel funktioniert

Veröffentlicht am 23. April 2025 um 10:00

© Lisa Widerek 2025 · Es gibt Tage, da frage ich mich, wie viele Menschen sich gerade irgendwo zusammenkauern, weil sie das Gefühl haben, anders zu sein – aber nicht offiziell genug, um Hilfe zu bekommen.

Wenn du anders bist – aber keinen Stempel hast

Es gibt Menschen, die in sich spüren:
„Das bin ich. Ich funktioniere nicht wie die anderen.“

Die sich in Texten über Autismus oder ADHS wiederfinden.

Die wissen:
„Da stimmt was nicht. Oder besser gesagt: da stimmt was sehr wohl – aber eben nicht mit der Welt, wie sie ist.“

Und trotzdem:

Kein Zettel. Kein Zugang.


Hilfe nur mit Stempel

Wenn du keine Diagnose hast, bekommst du in Deutschland so gut wie keine strukturierte Hilfe:

  • Keine Autismustherapie

  • Keine Eingliederungshilfe

  • Keine Chance auf Pflegestufe

  • Kein Nachteilsausgleich

  • Keine offizielle Entlastung

Was du bekommst, ist Misstrauen.

Du bekommst:
„Das steht ja nirgends.“

Oder:
„Das kann ja auch was anderes sein.“

Stattdessen wirst du – wie so viele – in irgendeine Schublade gesteckt:

  • Borderline

  • Depression

  • Angststörung

  • Erschöpfung

  • Beziehungsunfähigkeit

Weil es einfacher ist.
Weil Erwachsene mit Autismus oder ADHS nicht in das Raster passen.


Ich habe das Spektakel durch

Ich war da.
Ich kenne das.

Ich war ein Fall für „Da stimmt was nicht“, aber niemand konnte es greifen.

Ich war zu laut, zu sensibel, zu direkt, zu erschöpft, zu viel – und trotzdem nicht auffällig genug für eine klare Diagnose.

Ich bin durch die Spirale gedreht worden: Therapie, Klinik, falsche Etiketten, noch mehr Scham.

Und dann hatte ich Glück.

Ich bin bei Anders³ gelandet. In der Praxis von Birte Gabriel in Henstedt-Ulzburg.

Und plötzlich ergab alles Sinn.

Ich wurde gesehen.
Ich wurde ernst genommen.
Ich wurde gehört, wie ich es noch nie wurde.

Und: Ich wurde richtig diagnostiziert – Autismus mit PDA-Profil, ADHS, Hochbegabung.

Endlich.

Aber es war Glück.
Und es war teuer.


Ich war Privatzahlerin.

Nicht, weil ich Geld im Überfluss habe, sondern weil es keine andere Möglichkeit gab.

Die Wartelisten für Diagnostik im Erwachsenenalter sind ein schlechter Witz:

  • 12 bis 36 Monate Wartezeit

  • Oder gleich eine Absage, weil man zu komplex, zu „nicht-kindlich“ oder zu weiblich tickt

Und wenn du keinen Nervenzusammenbruch beim Hausarzt kriegst, passiert: nichts.


Das System lässt uns fallen – und dann kritisiert es uns fürs Liegenbleiben

Ohne Diagnose bekommst du keine Hilfe.

Und ohne Hilfe bekommst du keine Diagnose.

Weil du ja funktionieren musst – bis du eben nicht mehr kannst.

Du kämpfst dich durch den Alltag mit Techniken, die du dir selbst beibringst:

  • Mit Listen

  • Rückzügen

  • Masking

  • Inneren Notfallplänen

Aber wehe, du brichst zusammen – dann bist du plötzlich:

  • „Auffällig“

  • „Instabil“

  • „Beziehungsunfähig“


Warum ich das schreibe

Weil ich nicht will, dass du glaubst, du bist falsch, nur weil du keinen Stempel hast.

Weil ich nicht will, dass du dich schämst, wenn du Hilfe brauchst.

Und weil ich zeigen will: Du bist nicht allein.

Wenn du kannst – such dir Menschen wie die Praxis Anders³.

Wenn du nicht kannst – dann bleib laut.

Denn deine Wahrnehmung ist echt, auch wenn das System sie noch nicht erkennt.

Und ja: Ich weiß, wie viel Kraft das kostet.

Aber ich sehe dich.


Wenn du denkst, du bist zu anstrengend, zu sensibel, zu überfordernd –

dann bist du vielleicht einfach nur nicht im falschen Leben,

sondern im falschen Bewertungssystem.


Du brauchst keine offizielle Erlaubnis, um du selbst zu sein.

Aber du hast jedes Recht, sie dir zu holen.

Wenn du magst, begleite ich dich ein Stück auf diesem Weg.

Herzlich,

FliWi


Kennst du dieses Gefühl auch?
Teile deine Gedanken gern in den Kommentaren oder auf Instagram.
Du bist nicht allein.


#authentizität #neurodivergenz #diagnoseodernicht #anderssein #charmeundchaos #pda #adhs #autismus #selbsthilfe

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.